Kundeninterview

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Interview mit Jörg Kerstholt, Reifen Göring Service GmbH

Jörg Kerstholt ist zusammen mit seinem Bruder Stefan Kerstholt Geschäftsführer der Firma Reifen Göring Service GmbH in Meschede. Der inhabergeführte Single-Betrieb mit 5 weiteren Angestellten wurde 2006 gegründet und versteht sich zunehmend als Auto Service Anbieter. Mit uns spricht Jörg Kerstholt über Entwicklungen, aktuelle Trends und seine Prognosen für die Zukunft. Das Interview führt Christian Wiegand, Marketing Manager DACH/NL/DK bei Nokian Tyres.

Herr Kerstholt, erst einmal vielen Dank, dass Sie bereit sind mit uns dieses neue Format zu starten und insoweit auch ein bisschen das Eis für zukünftige Interviews zu brechen. Vielleicht stellen Sie sich und Ihr Unternehmen mit ein paar Worten vor.

Sehr gern. Wir sind ein ursprünglich traditionelles Reifen Service Unternehmen. Vor ca. 80 Jahren von meinem Urgroßvater mit dem Schwerpunkt auf Vulkanisation gegründet. Das heißt, bis 2017 haben wir auch Reifen-Runderneuerung gemacht, zuletzt im LKW-Bereich. Seit 2006 sind wir darüber hinaus auch Kfz-Werkstatt und durchgehend Meisterbetrieb. Man könnte sagen, wir sind nicht mehr nur Reifenwerkstatt, sondern mittlerweile eine Werkstatt mit Reifenhandel.

Apropos Werkstatt mit Reifenhandel: Wie ist ihr Portfolio gestaltet?

Wir sind da sehr strukturiert. Wir priorisieren 3 Markenprodukte in unserem Sortiment. Eine davon ist Nokian Tyres. Für Ihre Produkte spricht sicherlich die Qualität, wobei ich die Markenbekanntheit von Nokian Tyres als verbesserungswürdig einschätzen würde. Insofern funktioniert die Marke im Moment noch nicht als alleiniges Premium-Produkt im Sortiment.

"Das Produkt funktioniert einfach und deshalb steigen auch die Verkaufszahlen."

Ist für Sie eine Entwicklung erkennbar? Und kann man bezogen auf Nokian saisonale Unterschiede erkennen?

Die Produkte funktionieren einfach und deshalb steigen auch die Verkaufszahlen. Nokian Tyres gehört bei uns zu den empfohlenen Marken. Natürlich können wir aber für unsere Kunden auch jeden anderen Wunsch erfüllen. Das ist heute selbstverständlich. Unsere Empfehlung hat aber ein gewisses Gewicht.

In der Vergangenheit lag der Winterreifenbereich bei Nokian deutlich vorn. Das hat sich aber geändert, weil auch die Produkte aus den anderen Segmenten – wie schon gesagt – einfach vernünftige Qualität bieten. So hat jetzt auch der Bereich Sommerreifen ordentlich zugelegt. Ganzjahresreifen spielen bei uns in der Region eine untergeordnete Rolle. Ansonsten kommt es natürlich auch immer auf die Beratung an.

"Wachsen können wir nur so viel, wie wir es uns personaltechnisch erlauben können."

Wie ist denn die Gewichtung zwischen LKW- und PKW-Reifen? Gibt es zwischen den Geschäftsbereichen große Unterschiede?

Das kommt ein bisschen darauf an, wie man rechnet. Der LKW-Reifen macht natürlich pro Stück deutlich mehr Umsatz. Aber Wachstumspotential sehe ich in beiden Bereichen kaum. Aber der Kfz-Service wächst stetig und man kann schon absehen, dass diese Entwicklung auch so weitergehen wird. Zum Thema Wachstum: Man kann natürlich nur zusammen mit Mitarbeitern wachsen und da sehen wir im Moment die Grenze. Wachsen können wir nur so viel, wie wir es uns personaltechnisch erlauben können. Das sehe ich als negativen Trend, den leider wahrscheinlich ein Großteil der Branche betrifft.

Und wo wir bei Anteilen sind? Wie ist der Unterschied zwischen Reifen und Kfz-Service?

Inzwischen haben wir einen größeren Kfz- als Reifen-Anteil! Das Reifengeschäft ist ja ein Stoßzeitengeschäft und wir brauchen natürlich auch Aufgaben, um die Zwischenzeiten zu befüllen und auszulasten. Insofern macht die Gewichtung für uns so durchaus Sinn.

Inwiefern versuchen Sie denn sich mit Ihrem Reifenportfolio vom direkten Wettbewerb zu differenzieren? Natürlich auch im Hinblick auf Nokian Tyres.

Ich glaube, wir haben einen gut funktionierenden Markt in unserer direkten Umgebung. Das gilt insofern, als das Werkstätten und potentielle Kunden ausgewogen sind. Wir sind da relativ eingespielt, wir haben zu tun, auch unsere Wettbewerber. Jeder bietet mehr oder weniger ein eigenes Portfolio an. So stehen wir nicht im andauernden, direkten Preisvergleich und Preiskampf.

Einlagerung von Reifen ist für Sie ein Thema?

Absolut. Aus dem Stand geschätzt sind es ca. 50% der Kunden, die Reifen bei uns einlagern. Das Geschäft ist für uns absolut sinnvoll. So multipliziert sich der Kundenkontakt und ich habe den Kunden geplant zweimal im Jahr auf der Bühne. Für uns ein absolut sinnvolles Zusammenspiel.

Nochmal zum Thema Zusammenspiel von Kfz- und Reifen-Service, Sie sagen ja, die Entwicklung geht weg vom spezialisierten Reifenhändler?

Wir bauen seit Jahren sukzessive den Kfz-Service-Bereich aus. Es macht ja auch Sinn, einen vernünftigen Mix anzubieten. Wir profitieren auch davon, wenn der Kunde ein Rundumpaket erhält und nicht mit den Reifen zum einen und mit der Inspektion zum nächsten Anbieter muss. Bei uns gibt es von der Inspektion bis zur Scheibenreparatur alles und das wissen unsere Kunden.

In anderen Industrien kriegt man ja mit bestimmten Lockangeboten die Kunden in den Laden und kann damit für weitere Kaufangebote sorgen. Ist das mit Reifen ähnlich?

So weit würde ich nicht gehen. Natürlich ist es aber so: Habe ich einen Kunden zum Radwechsel im Haus, kann ich natürlich einen schnellen Blick über das Auto werfen und vielleicht darauf hinweisen, dass eventuell die Bremsen erneuert werden müssten. Das geht selbstverständlich Hand in Hand.

Wie geht es der Branche generell in Pandemie-Zeiten? Und wie bewerten Sie die aktuelle Wechselperiode von Winter- auf Sommerreifen?

Wir sind in unserer Branche glücklicherweise kaum betroffen. Wir durften unsere Services durchgehend anbieten. Auch unsere Kunden mussten keine Hürden überwinden, etwa negative Tests nachweisen, um unsere Services annehmen zu dürfen. Alles in allem ist der Markt stabil, soweit wir das hier überblicken können.

Natürlich hat sich der Kälteeinbruch nach Ostern nicht positiv auf die Saison ausgewirkt. Wir standen da schon in den Startlöchern und plötzlich haben die Kunden ihre Termine abgesagt, weil es wirklich so kalt und frostig wurde.

Beim LKW-Geschäft scheint die Tendenz leicht rückläufig zu sein. Das mag damit zusammenhängen, dass die Auslastung der Logistik-Betriebe beeinträchtigt wurde. Ein LKW-Reifen hält schließlich eine ganze Weile. Ob sich der Wechselturnus also nur etwas verschoben hat oder ein echter Rücklauf zu verzeichnen ist, bleibt abzuwarten.

"Eine Ausrichtung auf hohe Qualität in Beratung und Service ist (…) von entscheidender Bedeutung."

Wenn wir die Pandemie ausblenden, gibt es andere klare, spezifische Themen, die die Reifenbranche betreffen?

Ich sehe keine großen Herausforderungen in Bezug auf das Reifenthema. Reifen im Kfz-Bereich werden weiter gebraucht und der Anspruch an Beratung und Qualität bleibt. Beim Kfz-Service sieht das anders aus. Heute werden beim Kauf eines (hier beginnt die Alternative:) Neuwagens Wartungspakete schon vom Hersteller angeboten. Das hat zur Folge, dass diese Fahrzeuge in den ersten Jahren im Service fehlen. Eine Ausrichtung auf hohe Qualität in Beratung und Service ist auch deshalb von entscheidender Bedeutung. Wir wollen nicht der günstigste am Markt sein. Wir wollen auf dem Level einer Vertragswerkstatt arbeiten, dabei aber ein bisschen günstiger sein. Dafür arbeiten wir mit Originalplänen und digitalen Services, die den Hersteller über erbrachte Leistungen informieren. Damit bleiben Garantien selbstverständlich bestehen. Für den Kunden gibt es also keinen Unterschied. Außer im Preis. Das weiß aber nicht jeder. Die Situation sehen wir also als Herausforderung, aber auch als Chance für uns zukünftig die richtige Wahl für unsere Kunden zu sein.

 

Herr Kerstholt, vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und die sehr interessanten Einblicke in Ihren Betrieb.